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Trauung auf einem Expeditionsschiff vor Grönland – Braut Anuschka erzählt 

Ihr habt sicherlich von vielen ungewöhnlichen Hochzeitsorten gehört, aber wie wäre es mit einer Hochzeit in der Arktis? Begleitet Anuschka und ihren Verlobten auf dieser ungewöhnlichen Reise nach Grönland, wo sie sich das Ja-Wort geben.

Trauung auf einem Expeditionsschiff vor Grönland – Braut Anuschka erzählt

Manchmal geschieht im Leben einer Reisebloggerin wenig Aufregendes und dann geht plötzlich alles ganz schnell. Während ich 2020 und 2021 pandemiebedingt kaum unterwegs sein konnte, gewinne ich 2022 eine Reise in meine liebste Region, die Arktis. 2023 soll es mit einem Expeditionsschiff auf Kreuzfahrt nach Grönland gehen. Die Vorfreude ist riesig und sofort keimt eine Idee in meinem Kopf. Erst wenige Wochen zuvor haben mein Freund und ich uns auf einem Tretboot auf der Lahn verlobt. Warum nicht in Grönland heiraten? Warum nicht eine Hochzeit mit dem Menschen, der mir am meisten bedeutet an dem Ort, den ich am meisten liebe? Mit Eisbergen im Hintergrund? Und heißt es nicht in alten Filmen immer, dass Kapitäne an Bord Trauungen durchführen dürfen?

Heirat in der Arktis

Reederei und Expeditionsleitung geben ohne zu zögern ihr Einverständnis und auch der Kapitän erklärt sich bereit, uns zu trauen. Wann und wo genau das sein wird, kann niemand sagen. Aber so ist das, wenn man auf einem Expeditionsschiff in der Arktis unterwegs ist. Eis- und Wetterverhältnisse können die ganze Route über Nacht ändern und Flexibilität wird hier großgeschrieben. Gut, dass mein Verlobter und ich aufgrund unserer Berufe darin geübt sind. Für uns heißt es jetzt aber erst mal, diese ganz besondere Reise vorzubereiten. Ich werde schon im ersten Brautmodengeschäft in Köln fündig und mein Verlobter lässt sich extra einen Anzug vom Schneider anfertigen. Die Ringe werden ausgesucht, bestellt und sicher verpackt. Und so brechen wir gut vorbereitet im Mai 2023 auf. Zunächst fliegen wir nach Reykjavík, wo wir noch im Hotel ein sehr sympathisches Paar aus Frankfurt kennenlernen. Spontan fragen wir sie, ob sie Lust hätten unsere TrauzeugInnen zu sein. Denn da uns weder Familie noch Freunde auf dieser Reise begleiten, können wir ein bisschen Unterstützung gut gebrauchen. Die beiden sind zwar überrascht, sagen aber gerne zu. Wir gehen an Bord unseres Schiffes, der Sea Spirit und setzen über nach Grönland. Die Crew versucht, einen Termin für uns zu finden und nach einigen „Fehlversuchen“ steht fest: Am Vormittag des 4. Juni wird uns der Kapitän an Deck das Eheversprechen abnehmen. Wir befinden uns mittlerweile hoch im Norden, etwa auf Höhe der Disko-Insel vor der Westküste Grönlands.

Getting-ready mit Blick auf Eisberge

Der Morgen bricht an und der Tag unserer Hochzeit ist endlich gekommen. Mein Verlobter gibt mir einen letzten, aufgeregten Kuss, bevor er sich in die Kabine unserer TrauzeugInnen zurückzieht, um sich dort fertig zu machen. Ich bleibe in unserer Kabine und beginne mit zitternden Fingern meine Vorbereitungen. Ich breite mein Kleid auf dem Bett aus und lege den kleinen Plastikblumenstrauß daneben. Ich habe ihn selbst gebunden, schließlich lässt sich in Eis und Schnee schlecht spontan ein Bouquet erstellen. Während ich in unserem kleinen Badezimmer dusche, versuche ich den etwas zerknüllten Schleier mit Hilfe des Wasserdampfes zu glätten. Auf Expedition muss man eben erfinderisch sein. Nur Minuten später fühle ich mich, wie Rose in Titanic – auch wenn ich hoffentlich einem deutlich glücklicheren Schicksal entgegen fahre. Ich sitze an unserem Frisiertisch, alles glänzt, das Holz, das Messing und vor dem Fenster der Kabine schimmern Eisberge. Die Sea Spirit ist ein traumhaftes Schiff, dessen Einrichtung für eine Hochzeit nicht passender sein könnte. Neben mir liegt ein kleiner rosa Samtbeutel, darin ein blauer Stein und ein alter Pfennig von 1950. An meinem Schuh, ist ein kleiner Lederanhänger befestigt und vervollständigt damit die Sammlung von etwas Altem, Neuen, Blauen und Geliehenem. Obwohl weder Freunde noch Familie heute an meiner Seite sind habe ich ganz und gar nicht das Gefühl, allein zu sein. Ich föhne mir die Haare, lege Make-Up auf, das ich vorher unzählige Male zu Hause geübt habe, und meine Trauzeugin befestigt den Schleier. Nun fehlt nur noch die Expeditionsjacke.

Reling statt Altar

11.24 Uhr… 11.25 Uhr… Die Minuten verstreichen quälend langsam. Dann, ein Klopfen an der Tür. Peter aus dem Expeditionsteam wartet mit einem Walkie-Talkie in der Hand und gibt Bescheid, dass nun alles bereit ist. Als ich vorsichtig einen Schritt vor den anderen auf den glatten Marmorboden setze, ertönt über die Bordlautsprecher die Musik, die ich mir für meinen Einzug gewünscht habe. Peter gibt über Funk durch, dass die Braut auf dem Weg ist. Meine Schleppe gleitet über den dunkelblauen Teppich, verschwindet um eine Ecke zur Treppe. Mit klopfendem Herzen und zitternden Fingern umklammere ich meinen Brautstrauß. Vor mir liegt der Gang, der auf Deck 5 hinausführt. Die Tür am Ende öffnet sich wie von selbst. Ein leises Seufzen ertönt aus einem roten Meer. Unzählige Passagiere haben sich mit ihren Expeditionsjacken an Deck eingefunden, um der Zeremonie beizuwohnen. Und alle lächeln. Meine Trauzeugin flüstert noch “Schreiten!”, aber dieser Rat verhallt leider ungehört, als ich das Gesicht meines Verlobten an der Reling entdecke.

Trauzeremonie mit bedeutungsschwerem Versprecher

Es dauert einen Moment, bis ich realisiere, dass dieser absolute Traum mein eigenes Leben ist. Dass ich wirklich hier bin, mit dem Mann meiner Träume an meiner Seite und einem freundlich lächelnden Kapitän in Uniform, während direkt hinter uns ein majestätischer Eisberg auf den Wellen thront. Eine erste Träne stiehlt sich aus meinem Augenwinkel. Die Trauung beginnt, die Passagiere lauschen gebannt, filmen mit ihren Handys und nicht wenige sind mindestens so gerührt, wie ich. Feierlich nimmt der Kapitän uns das Eheversprechen ab. Dabei unterläuft ihm ein Versprecher. Im ursprünglichen, englischen Text heißt es “to honour and comfort”, also “zu ehren und Trost zu spenden”. Was der Kapitän sagt ist: “to honour and confront”, also “zu ehren und zu konfrontieren”. Ich muss fast loslachen, denn er weiß gar nicht, wie Recht er damit hat. Mein Verlobter und ich haben schon viel miteinander durchgemacht, unsere Beziehung wurde mehr als einmal auf eine harte Probe gestellt. Und wären wir in diesen Zeiten nicht gewillt gewesen, unsere Probleme anzusprechen, zu kommunizieren und uns gegenseitig damit zu konfrontieren, so stünden wir heute nicht hier an diesem magischen Ort.

Einlaufen in den Hafen der Ehe

Als mein nun frischgebackener Ehemann mir den Ring auf den Finger schiebt, zittert meine Hand. Genau wie meine Stimme, als ich ihm mein Eheversprechen vortrage. Aber nicht vor Kälte, wie alle (und auch ich insgeheim) befürchtet haben. Denn obwohl wir von Eis und Schnee umgeben sind, ist mir keine Sekunde kalt. Ob es an den zwei langen Wollunterhosen liegt, die ich unter dem Kleid trage, oder an meinem unermesslichen Glück, das überlasse ich eurer Vorstellung.

Credits

Text: Anuschka Dinter-Mathei

Fotos: poseidonexpeditions